Nächste Woche erscheint bei Faber and Faber Ltd. Normal People, mit dem es die irische Autorin Sally Rooney auf die Longlist des Man Booker Prize 2018 geschafft hat. Wer sich schon jetzt einen ersten Eindruck von dem Roman verschaffen möchte, kann das mit dem unter dem gleichen Titel im Granta Magazine veröffentlichten Vorabdruck tun. Darin erzählt Rooney vom Beginn der Beziehung zwischen Marianne und Connell, die gerade im Westen Irlands ihren Schulabschluss machen.
In Conversations with Friends, dem ersten Roman der 1991 geborenen Autorin, geht es ebenfalls um das Leben junger Menschen im heutigen Irland. Frances und Bobbi, beide Anfang 20, kennen einander seit der Schulzeit, waren ein Jahr lang ein Paar, studieren jetzt am Trinity College Dublin und sind immer noch beste Freundinnen. Gemeinsam tragen sie bei Lesungen selbstverfasste Gedichte vor, und bei einem dieser Events lernt Bobbi die Journalistin Melissa kennen. Diese lädt die beiden spontan zu sich nach Monkstown, einen Vorort von Dublin, ein, wo sie auch Melissas Ehemann Nick, einem Schauspieler, begegnen. Aus diesem ersten gemeinsamen Abend entwickelt sich eine Freundschaft, und die zwei Studentinnen besuchen Nick und Melissa während der Sommerferien in ihrem Ferienhaus in Frankreich. Dort beginnt Frances mit Nick eine Affäre.
Meine Meinung: ‚Nein, tu’s nicht‘, wollte ich Frances zurufen, als sie Nick zum ersten Mal küsst, ‚vergiss ihn einfach, ein verheirateter Mann bringt nur Ärger!‘ Solche Warnungen wären natürlich nutzlos, und was folgt ist das vorhersehbare Hin und Her zwischen ‚Ich liebe dich‚ und ‚Ruf mich nie wieder an.‘ Das ist von der Autorin durchaus so gewollt, wie sie im Interview mit der in Belfast erscheinenden Literaturzeitschrift The Tangerine Magazine erläutert. Conversations with Friends sei ein Roman mit einem ‚ziemlich konventionellen‚ Plot, eine frei erfundene Geschichte, auch wenn die biographischen Parallelen zwischen der Ich-Erzählerin und der Autorin unübersehbar sind. Vor allem Schriftstellerinnen seien ständig mit der Unterstellung konfrontiert, sie würden immer über ihr eigenes Leben schreiben, beobachtet Sally Rooney und nennt als Beispiel Elena Ferrantes Neapolitanische Saga.
Sie interessiere sich für seltsame Beziehungen, sagt die Autorin in einem anderen Interview, und diese seltsamen Beziehungen portraitiert sie so, wie es der Titel ankündigt: durch Unterhaltungen, Unterhaltungen im direkten Gespräch, per E-Mail und als Textnachrichten. ‚Ich liebe es, Dialoge zu schreiben, …, ich liebe es, Menschen beim Sprechen zuzuhören, ich spreche selbst sehr gerne. Ich interessiere mich dafür, was wir anderen kommunizieren, wenn wir nicht notwendigerweise kommunizieren.‚ Letzteres gelingt ihr meiner Meinung nach am besten: zu zeigen, welche nicht ausgesprochenen Botschaften das Gegenüber erreichen. Da ist zum Beispiel eine Nachricht, die Melissa an die Geliebte ihres Mannes schickt, nachdem sie von der Affäre erfahren hat. So gekonnt untergriffig kann nur jemand schreiben, der sich wie Sally Rooney intensiv mit dem Thema persuasive Kommunikation auseinandergesetzt hat: Während ihres Studiums war sie Europameisterin im Debattieren. Was die Dialoge betrifft, fand ich diese nicht ganz so schlagfertig, wie manche Kritiken das sehen, aber vielleicht liegt das auch an Aoife McMahons etwas zu routiniertem Vortrag des Hörbuchs. Authentisch wirken die Unterhaltungen in jedem Fall, und authentisch ist auch die Lebenssituation der handelnden Personen. Das hat den Roman für mich am interessantesten gemacht.
Frances und Bobbi sind typische Millennials. Sie studieren am Trinity College und wohnen im hippen Stadtteil The Liberties, sie verkehren in Künstlerkreisen und genießen alle sexuellen und intellektuellen Freiheiten. Aber anders als Melissa und Nick, die nur 10 Jahre älter sind, haben sie weder ein gesichertes Einkommen noch die reale Perspektive, aus eigener Kraft wirtschaftlich unabhängig zu werden. Die Wohnung in den Liberties gehört Frances‘ Onkel, und als die Unterhaltszahlungen ihres Vaters ausbleiben, hat sie buchstäblich nicht mehr genug Geld zum Überleben. Nick und Melissa bewohnen im Gegensatz dazu ein eigenes Haus in einer netten Gegend und brauchen sich daher um ihr Auskommen keine Sorgen zu machen. Noch vor kurzer Zeit sei so etwas ganz normal gewesen, heute mache sie das zu Privilegierten, meint die Autorin dazu, und ich stelle erstaunt fest, dass auch ich es beim Anhören der Erzählung als Privileg wahrnehme, obwohl ich es selbst als Normalität erlebt habe. Ein Beleg dafür, wie nachvollziehbar Sally Rooney diese Lebenswirklichkeit der Millennials darstellt.
Sally Rooney, Conversations with Friends. Gelesen von Aoife McMahon, Whole Story Audiobooks 2017. 8 h 33 min.
Als Taschenbuch erschienen bei Faber and Faber Ltd. 2018. 321 Seiten. Eine deutsche Übersetzung liegt leider noch nicht vor.
[…] ihr Name in dieser Aufstellung auf keinen Fall fehlen. Nachdem sie schon 2017 mit ihrem Debütroman Conversations with Friends mehr als nur einen Achtungserfolg hingelegt hatte, schaffte sie es heuer mit der […]
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[…] Rooney. Die 1991 in Dublin geborene Autorin hat bisher zwei Romane veröffentlicht: Ihr Debüt Conversations with Friends erschien 2017, heuer folgte Normal People. Eine deutsche Übersetzung lässt in beiden Fällen […]
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