Best of Best of 2018

Best of-Listen gehören zum Jahreswechsel wie Feuerwerke und rosa Schweinchen, und da ich Bücherlisten liebe, beteilige ich mich gerne an diesem Brauch. Meine persönlichen Best of 2018 habe ich, getarnt als Last Minute-Geschenketipps,  schon auf ChickLitScout zusammengestellt, daher kann ich jetzt entspannt über den Zaun blicken und von anderen abschreiben. Eine ähnliche Idee hatte auch die Literaturabteilung meiner liebsten Online-Zeitung, und so folgt nun meine Auswahl der Auswahl, die von The Guardian befragte Persönlichkeiten aus Literatur, Kunst und Politik getroffen haben.

US-Bestsellerautor Jonathan Franzen hat auf seiner Liste einen Roman, der auch mich heuer beeindruckt hat: Donal Ryans From a Low and Quiet Sea. Ryan erzählt zunächst die Geschichte dreier Männer vollkommen unabhängig von einander und stellt erst dann einen erhellenden Zusammenhang her. Während einer von Donal Ryans Protagonisten auf der Flucht vor dem IS ist, macht sich in einem zweiten von Franzen genannten Roman, John Wrays Godsend, eine 18-jährige aus Kalifornien in entgegengesetzte Richtung auf den Weg: Um ihrer Familie zu entkommen, reist sie nach Pakistan, nimmt die Identität eines Mannes an und gerät in die Kriegswirren in Afghanistan. Der Roman wird im Jänner unter dem Titel Gotteskind bei Rowohlt erscheinen.

Hilary Mantel, die für beide bisher erschienen Teile ihrer Thomas Cromwell-Trilogy den Man Booker Prize erhalten hat, empfiehlt mit der Anmerkung ‚wie könnte es anders sein‘ Diarmaid MacCullochs ‚meisterhafte‘ Biographie Thomas Cromwell: A Life. Auch der zweite von ihr empfohlene Titel ist eine Biographie.  In  Die Amerikanische Prinzessin (im holländischen Original: De Amerikaaase prinses) erzählt Annejet van der Zijl die Lebensgeschichte von Allene Tew, die als junge Witwe 1927 New York verließ und mehrere Ehen später Patentante der holländischen Thronfolgerin Beatrix wurde.

Auch der israelische Historiker und Sachbuchautor Yuval Noah Havarie bleibt dem eigenen Genre treu und nennt das für ihn ‚optimistischste Buch seit langem‘: Aufklärung jetzt: Für Vernunft, Wissenschaft, Humanismus und Fortschritt. Eine Verteidigung. (Enlightenment Now: The Case for Reason, Science, Humanism, and Progress) von Steven Pinker.

Ähnliches gilt für Nicola Sturgeon, Chefin der Scottish National Party und Erste Ministerin Schottlands. Das Sachbuch ihrer Wahl, Leadership von Doris Kearns Goodwin verspricht im Untertitel ‚Lektionen von  Abraham Lincoln, Theodore Roosevelt, Franklin D. Roosevelt und Lyndon B. Johnson für turbulente Zeiten‘, und die kann sie kurz vor dem Brexit sicher gut brauchen. Die Politikerin hat aber auch Empfehlung aus dem Bereich Fiction: Milkman, den Roman über eine junge Frau im Belfast der 1970er-Jahre, für den Anna Burns mit dem Man Booker Prize 2018 ausgezeichnet wurde. Milkman gehört auch zu den heurigen Favoriten von Kamila Shamsie, die daneben auch  einen Titel von der Longlist des Man Booker nennt, Michael Ondaatjiees Warlight (Kriegslicht). Darin wird das Erwachsenwerden zweier Kinder in London unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs beleuchtet. Ein Titel von der Longlist, der mich persönlich so berührt hat wie kaum ein anderer im zu Ende gehenden Jahr, wird gleich zweimal genannt: Normal People von Sally Rooney fanden sowohl der Journalist und Sachbuchautor Mark  O’Connell als auch die Autorin Olivia Laing toll. 

Einen Titel, der es bis auf die Shortlist des Man Booker 2018 schaffte, nennt der englische Autor Robert Macfarlane einen der besten Romane des ganzen Jahrzehnts: The Overstory (Die Wurzeln des Lebens) von Richard Powers, bei dem es nicht nur um die Rettung von Mammutbäumen, sondern auch um die großen Zusammenhänge dahinter geht.

Für Singer-Songwriter Brett Anderson ist The Incurable Romantic eines der besten Bücher des Jahres. Während Autor Frank Tallis in seinen historischen Krimis den Arzt Max Liebermann im Wien der Jahrhundertwende auf Verbrecherjagd schickt, beschreibt er hier reale Fälle aus dem Berufsalltag eines klinischen Psychologen. Die deutsche Übersetzung ist als Der unheilbare Romantiker & andere Geschichten aus der Psychotherapie für Juni 2019 bei btb angekündigt.

Viv Albertine, ebenfalls Singer-Songwriter und Autorin, hat ein schon 1962 erstmals erschienenes Buch auf ihrer Liste: In Zwei Schwestern (Cassandra at the Wedding) erzählt Dorothy Baker von  einer jungen Frau, die zur Hochzeit ihrer Zwillingsschwester unterwegs ist, mit dem festen Vorsatz, diese Hochzeit zu verhindern.

Die schottische Krimiautorin Val McDermid empfiehlt wenig überraschend Krimis: The Seven Deaths of Evelyn Hardcastle von Stuart Turton, die Gothic Crimestory The Stranger Diaries von Elly Griffiths und Lou Berneys November Road, das die Verschwörungstheorie um die Ermordung John F. Kennedys mit einer bittersüßen Lovestory verbindet und im März unter dem Titel Destination Dallas bei HarperCollins auch auf Deutsch erscheinen wird.

Zum Abschluss noch ein Buch über ein Thema, das uns ganz sicher noch 2019 beschäftigen wird: Erfolgsautorin Ali Smith empfiehlt Behold, America. Darin analysiert die amerikanische Literaturwissenschaftlerin Sarah Churchwell, was wirklich hinter dem Amerikanischen Traum steckt und wie Donald Trumps Schlachtruf America First damit in Zusammenhang steht.

Vielleicht findet der eine oder andere der genannten Titel ja auf Eure Leseliste für 2019. In jedem Fall wünsche ich Euch allen einen guten Rutsch in ein spannendes Neues Lesejahr!

Ein Buch auf Reisen

In zwei Tagen ist der offizielle Erscheinungstermin des neue Romans von Tana French, tatsächlich war die deutsche Übersetzung aber schon vor Weihnachten erhältlich. Nach 6 Bänden der Dublin Murder Squad-Serie hat die irische Autorin diesmal ein Stand-alone geschrieben: Der dunkle Garten (The Witch Elm). Ich habe mir gleich nach Erscheinen der englischen Ausgabe im Oktober das Audiobook besorgt und war nicht nur von der Geschichte selbst, sondern auch von Paul Nugents Präsentation sehr beeindruckt. Da ich die Bücher von Tana French aber auch unbedingt in meinem Bücherregal stehen haben möchte, machte ich mich im Internet auf die Suche und entdeckte, dass Barnes & Nobel signierte Exemplare des Romans anbietet. So eines musste ich haben! Leider liefert der US-amerikanische Buchhändler mit Hauptsitz in der Fifth Avenue nicht nach Österreich, aber für dieses Problem hatte ich eine Lösung: Zufällig habe ich in New York eine Freundin, und zufällig ist unser nächstes Treffen für Ende Jänner geplant: Nachdem wir uns lange Zeit nicht gesehen haben, werden wir gemeinsam durch Vietnam reisen. Also hat sie das signierte Buch für mich besorgt und wird es in einem Monat mit im Gepäck haben, wenn wir uns in Hanoi treffen. Fotos hat sie mir schon geschickt.

 

Das Leben hat es mit Toby Hennessy immer gut gemeint. Er kommt aus einer wohlhabenden anglo-irischen Familie, verlebte gemeinsam mit Cousin und Cousine  eine glückliche Kindheit und Jugend, arbeitet als erfolgreicher PR-Manager einer hippen Kunstgalerie in Dublin und hat eine bildhübsche, liebenswerte Freundin. Aber dann wird er kurz vor einer wichtigen Ausstellung in seinem eigenen Apartment überfallen und zusammengeschlagen. Danach ist nichts mehr wie zuvor.

Meine Meinung: Wie in allen ihren Geschichten bringt Tana French auch hier in einer Art Seelenstriptease die innersten Gedanken des Ich-Erzählers zu Papier und schafft es dennoch mühelos, die Geschichte voranzutreiben. So berichtet sie von einem mysteriösen Überfall und einem noch mysteriöseren Leichenfund und zeichnet gleichzeitig das Psychogramm eines Menschen, indem sie ihn von seiner Sichtweise auf das Leben und seinem Umgang mit anderen erzählen lässt. Wie die Perspektive dieser anderen aussieht, erfährt Toby lange Zeit später nicht ganz freiwillig und mit nachhaltigen Auswirkungen auf sein restliches Dasein. 

Mit welchen erzählerischen Kniffen die Autorin arbeitet, um die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu erhalten, möchte ich hier nicht verraten, nur so viel: Wer ihre Romane kennt, wird das eine oder andere Motiv wiederfinden, aber trotzdem bis zur letzten Seite immer wieder überrascht werden, wer noch keinen gelesen hat, sollte das so schnell wie möglich nachholen und gleich mit diesem beginnen. 

Tana French: The Witch Elm. Viking 2018. 528 Seiten.

Als Audiobook gelesen von Paul Nugent. Penguin Audio 2018. 22 h 7 min.

In deutscher Übersetzung von Ulrike Wasel und Klaus Timmermann: Der Dunkle Garten. FISCHER Scherz 2018. 656 Seiten.

Weihnachtsputz

Müsst Ihr auch gegen Ende des Jahres noch einmal so richtig aufräumen, die Dinge sichten und ordnen? Dann geht es Euch wie mir. Ich habe das letzte Wochenende dazu genützt, meine Bibliothek zu durchforsten, zu entscheiden, was ich behalte und wovon ich mich trenne. Das ist eine neue Erfahrung für mich, denn bis vor nicht allzu langer Zeit hatte ich den festen Vorsatz, alle Bücher, die ich je gelesen habe, auch aufzuheben. Jetzt aber haben meine Bücherregale ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, und damit stand ich vor der Entscheidung: nichts Neues mehr anschaffen oder Vorhandenes reduzieren. Alternativlos. Verringert hat den Trennungsschmerz zudem die Erkenntnis, dass Bücher, die ich nicht ganz so gemocht hatte, ein zweites Leben bei jemandem verdienen, der mehr Freude damit hat.

Ein Ergebnis meiner Inventur ist eine Best-of-2018-Liste, die als Anregung für Last-minute-Geschenke gedacht und hier zu finden ist. Weiterlesen »

Jetzt hat er es schon wieder gemacht

Vor zirka 20 Jahren schenkte mir ein Freund ein Buch eines Autors, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. ‚Jetzt ist schon wieder was passiert‘, so begann Komm, süßer Tod, der zweite Krimi von Wolf Haas. Mit dem selben Satz lies Haas noch vier weitere Brenner-Krimis beginnen, bevor ihm das offensichtlich zu langweilig wurde und er 2006 in Das Wetter vor 15 Jahren den fiktiven Autor Wolf Haas in einem fiktiven Interview ankündigen lies, er werde über Simon Brenner keine Geschichte mehr erzählen. Ganz nebenbei entwarf er in diesem Interview auch eine Liebesgeschichte, die er dann doch nie schrieb. Stattdessen folgte 2009 doch wieder ein Krimi: Der Brenner und der liebe Gott, diesmal mit einem anderen Einleitesatz. 2012 kam dann etwas ganz Neues: Die Verteidigung der Missionarsstellung beschäftigte sich nicht mit konservativen oder weniger konservativen Sexualpraktiken, sondern mit der Geschichte des Benjamin Lee Baumgartner. Die faz bezeichnete den Roman als ‚Metafiktion mit anarchischem Witz‘, und die (nicht nur) sprachlichen Kunstgriffe drehen sich so schnell um sich selbst, dass mir beim Lesen fast schwindelig wurde. Dem Roman sind mittlerweile auch sprachwissenschaftliche Arbeiten gewidmet, und die braucht es wohl auch, um zu durchschauen, was der promovierte Linguist Wolf Haas da genau gemacht hat. 2014 folgte Brennerova, der bisher letzte Brenner-Krimi. Dann hieß es warten, bis endlich im August 2018 eine orange Badezimmerwaage in den Buchhandlungen auftauchte: Der neue Haas war da.Weiterlesen »

Prager Nächte

Der junge Gelehrte Christian Stern, unehelicher Sohn des Bischofs von Regensburg mit einer Dienstmagd, kommt im Dezember 1599 nach Prag, zu diesem Zeitpunkt Residenz des Heiligen Römischen Kaisers. Unter Rudolf II. ist die böhmische Hauptstadt ein Zentrum der Wissenschaft und der Alchimie, und Stern träumt davon, am Hof des Habsburgerkaisers sein Glück zu machen. In der Nacht seiner Ankunft stolpert er betrunken über die Leiche von Magdalena Kroll, der Tochter von Rudolfs Leibarzt. Der Fund bringt ihn zunächst in eine Kerkerzelle und dann ins Zentrum der Intrigen am Hof.Weiterlesen »