Weihnachtsputz

Müsst Ihr auch gegen Ende des Jahres noch einmal so richtig aufräumen, die Dinge sichten und ordnen? Dann geht es Euch wie mir. Ich habe das letzte Wochenende dazu genützt, meine Bibliothek zu durchforsten, zu entscheiden, was ich behalte und wovon ich mich trenne. Das ist eine neue Erfahrung für mich, denn bis vor nicht allzu langer Zeit hatte ich den festen Vorsatz, alle Bücher, die ich je gelesen habe, auch aufzuheben. Jetzt aber haben meine Bücherregale ihre Kapazitätsgrenzen erreicht, und damit stand ich vor der Entscheidung: nichts Neues mehr anschaffen oder Vorhandenes reduzieren. Alternativlos. Verringert hat den Trennungsschmerz zudem die Erkenntnis, dass Bücher, die ich nicht ganz so gemocht hatte, ein zweites Leben bei jemandem verdienen, der mehr Freude damit hat.

Ein Ergebnis meiner Inventur ist eine Best-of-2018-Liste, die als Anregung für Last-minute-Geschenke gedacht und hier zu finden ist. Dann war da ein Stapel, der im Freundeskreis dankbare Abnehmer*innen gefunden hat, und dann blieb da noch ein Titel, der in eine eigene Kategorie fällt.

Nach über achthundertjährigem Schlaf erwacht die Spielfrau Beatriz in unserer Gegenwart. In der Provence war sie im hohen Mittelalter eingeschlafen – und muss nun feststellen, dass es um die Rechte der Frau immer noch nicht viel besser bestellt ist als zu ihrer Zeit. Am besten, man würde noch einmal ganz von vorne beginnen…

Meine Meinung: Dieser vielversprechende Klappentext veranlasste mich, Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura als Rezensionsexemplar beim Verlag anzufordern. Irmtraud Morgner hatte den Roman schon 1974 in der DDR veröffentlicht, 2010 war er vom Luchterhand Literaturverlag neu aufgelegt worden, 2017 erschien die Taschenbuchausgabe bei btb. Emma-Herausgeberin Alice Schwarzer, die eng mit der 1990 verstorbenen Autorin befreundet war, widmete ihr in ihrer Zeitschrift immer wieder Beiträge, in denen sie die Journalistin als „Trobadora des Aufbruchs“ bezeichnet, die „um das ganz Kleine wusste und das ganz Große wollte.“ Um dieses Große aus dem Kleinen zu erreichen,  verwendet Morgner eine Montagetechnik, in der sie einzelne Szenen zu einem Gesamtbild zusammensetzt. In 13 Büchern und 7 Intermezzi erzählt sie ihre Geschichte und hilft  ihren Leser*innen dabei, den Überblick zu bewahren, indem sie dem 680-Seiten-Roman ein ‚Verzeichnis von Hauptfiguren des Romans‚ voranstellt und einen ‚Bauplan des Romans‚ anfügt, der zu jedem Kapitel eine Mini-Inhaltsangabe liefert. Ich bin trotzdem gescheitert. Das Lesezeichen steckt seit vielen, vielen Monaten am Beginn des Dritten Buches, und dort wird es wohl auch bleiben. Dabei habe ich das Gefühl, dass mir hier ein wichtiges Stück feministische Literatur verborgen bleibt, weil ich nicht die Geduld und Konzentration aufbringe, es zu entschlüsseln. Schade, aber auch dieses Buch findet ganz sicher eine Leserin, die mehr Spaß daran hat als ich. 

Besser lief es zum Beispiel für Anne-Marit Strandborg, die dem Roman auf ihrem Blog zur DDR-Literatur einen Beitrag widmet.

Irmtraud Morgner, Leben und Abenteuer der Trobadora Beatriz nach Zeugnissen ihrer Spielfrau Laura. btb Verlag 2017. 680 Seiten. 

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