Greetings from Hanoi

Viele meiner Bloggerkolleg*innen lesen nicht nur gefühlt 2-3mal so viele Bücher wie ich, sie schaffen es auch, ganz regelmäßig und mit hoher Frequenz Beiträge zu posten. Da nicht davon auszugehen ist, dass sie nie krank werden, nie berufliche Spitzenzeiten erleben und nie verreisen, vermute ich mal, dass sie für all diese Fälle Beiträge im voraus geplant und erstellt haben. Ich schaffe das leider nicht: Wenn es gerade besonders viele Kurse vorzubereiten oder abzuschließen gilt oder wenn eine Reise bevorsteht, habe ich besonders wenig Zeit zum Lesen und Bloggen, und wenn so wie diesen Monat beides zusammenfällt, bleibt gar keine Zeit für mein liebstes Hobby. So ist es gekommen, dass ich diesen Beitrag nicht wie geplant noch vor meiner Abreise nach Vietnam, sondern eben erst jetzt, am ersten Abend nach meiner Ankunft in Hanoi schreibe.

Das Thema ist natürlich Vietnam, genauer gesagt die Literatur, die ich als Vorbereitung auf diese Reise gelesen habe – oder zumindest lesen wollte (siehe oben). Zwei Titel habe ich rechtzeitig geschafft: über Graham Greenes The Quiet American (Der stille Amerikaner) und Lan Cans Monkey Bridge war hier vor kurzem zu lesen. Der Sympathisant von Viet Thanh Nguyen  muss bis nach meiner Rückkehr warten, aber zwei andere Titel sind meine Reisebegleiter geworden: Da ist zunächst einmal Hell in a Very Small Place: The Siege of Dien Bien Puh, als Audiobook gelesen von Robertson Dean. Der amerikanische Journalist und Politologe Bernard B. Fall analysiert darin die politischen und strategischen Aspekte der Schlacht bei Dien Bien Phu nahe der Grenze zwischen dem damaligen Nordvietnam und Thailand, die, als strategischer Schachzug im Kampf gegen die Vietkong-Armee gedacht, 1954 die Niederlage der Franzosen im Indochinakrieg besiegelte. Ausgehend von minutiöser Recherche gelingt es dem Autor, auf spannende Art zu erklären, wie es zu dieser Niederlage gekommen ist und was die Hauptakteure zum Ausgang der Schlacht beigetragen haben. Eine echte Empfehlung für alle, die sich so wie ich bisher nie mit dem Thema militärische Strategie beschäftigt haben, es diesmal aber doch tun wollen und vor realitätsnahen Beschreibungen von Kriegshandlungen nicht zurückschrecken. Das Leben des Autors war übrigens von ähnlichen Gräueltaten geprägt wie sein Bericht sie zum Thema hat: 1926 in Wien geboren musste er vor den Nazis nach Frankreich flüchten, schloss sich schon mit 16 der Resistance an, studierte nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich, Deutschland und den USA und war ab 1953 als Kriegsberichterstatter in Südostasien tätig. Er stand dem Engagement der USA in der Region kritisch gegenüber und starb 1967 beim Besuch einer Einheit der US-amerikanischen Truppen in Südvietnam durch eine Landmine.

Bernard B. Fall, Hell in a Very Small Place – The Siege of Dien Bien Phu. Gelesen von Robertson Dean. Tantor Media Inc. 2016, 19 h 30 min.

Mehr als 50 Jahre später ist Vietnam ein friedliches Land, dem man die Spuren des Krieges zumindest auf den ersten Blick nicht mehr ansieht.

 

Nachdem wir den heutigen Tag auf einem ausgiebigen Spaziergang durch Hanoi  erste Eindrücke gesammelt haben, geht es morgen mit dem Flugzeug in die alte Kaiserstadt Hue in Zentralvietnam weiter. Auf dem Flug werde ich hoffentlich auch The Gangster We Are All Looking for von Le Thi Diem Thúy fertig lesen und in den nächsten Tagen davon berichten können.

Bis dahin liebe Grüße

Eure Niamh

Wie man eine Zivilisation rettet

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Schottenstift und Schottenkirche, Wien

Wer durch Wien bummelt, der beginnt sich irgendwann zu fragen, was die Stadt mit den Schotten zu tun hat. In der Inneren Stadt liegt das Schottenstift mit dazugehöriger Schottenkirche, ganz in der Nähe findet man Reste der mittelalterlichen Stadtmauer, die Schottenbastei. Familien, die etwas auf sich halten, schicken ihre Sprösslinge ins dortige Schottengymnasium, und nach der Matura studieren diese vielleicht an der Universität Wien, deren Hauptgebäude sich am Schottentor befindet. Ein nicht weit entfernter Stadtteil ist das Schottenfeld, noch im 19. Jahrhundert eine Vorstadt, heute mitten im Zentrum und fest in Bobo-Hand. Am Abend geht man in den Schottenkeller in der oder zum Schottenheurigen etwas außerhalb der Stadt. Die Schottenkirche samt Kloster wurde 1155 im Auftrag von Leopold II. „Jasomirgott“ an einem Kraftplatz außerhalb der Stadtmauern erbaut, nachdem der Babenbergerherzog seine Residenz nach Wien verlegt hatte. Ein Kloster war ein Zentrum des Wissens, und die neue Residenzstadt benötigte dieses Wissen für Verwaltung, Schulwesen und Gesundheitsversorgung. Daher berief Leopold II. Mönche nach Wien, die er in Regensburg kennengelernt hatte. „Solos elegimus scottos“ versprach er den Mönchen – er werde nur Schotten nach Wien berufen.

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Schottenstift Kupferstich Creative Commons

Aber wieso Schotten? Und wieso aus Regensburg? Das und noch vieles andere erklärt Thomas Cahill in How the Irish Saved Civilisation. Das Sachbuch hielt sich nach seinem Erscheinen im Jahr 1995 fast zwei Jahre lang auf der Bestsellerliste der New York Times und wurde auch ins Deutsche übersetzt. Wie die Iren die Zivilisation retteten ist aber leider nur mehr antiquarisch erhältlich. Der New Yorker Autor mit irischen Wurzeln nimmt uns mit auf eine Reise durch die westeuropäische Geschichte und wirft Schlaglichter auf ausgewählte literarische Werke und Autor*innen. Weiterlesen »

Improve your English on the Orient Express

In den letzten Wochen war ich vor allem damit beschäftigt, gemeinsam mit meinen Kolleg*innen eine Konferenz für Englischunterricht an Hochschulen und in der Erwachsenenbildung zu organisieren, daher war es auf diesem Blog ziemlich still. Die Konferenz ist erfolgreich über die Bühne gegangen, die viele Arbeit hat sich also gelohnt. Und sie hat mich auf die Idee gebracht, einen genaueren Blick auf das Angebot an englischsprachiger Lektüre zu werfen, die speziell dafür gedacht ist, die Sprachkenntnisse auf  Vordermann zu bringen.Weiterlesen »

Von der Herkunft von Wörtern

Laut Duden ist Etymologie ‚die Wissenschaft von der Herkunft und Geschichte der Wörter und ihrer Bedeutungen‘, und mit ebendieser Herkunft und Geschichte von Wörtern beschäftigt sich Mark Forsyth in seinem 2011 erschienen Buch The Etymologicon: A Circular Stroll through the Hidden Connections of the English Language, auf Deutsch in etwa „eine Rundreise auf den geheimen Verbindungswegen der englischen Sprache“. Es ist eine sehr vergnügliche Rundreise, und sie beginnt mit einem Augenzwinkern: Gelegentlich fragen mich Menschen nach der Herkunft eines Wortes, aber sie machen diesen Fehler immer nur einmal, so lässt sich der Einleitungssatz im Vorwort des Buches übersetzen. Forsyth erzählt hier wie er, nach dem Ursprung des Wortes biscuit gefragt, den Fragenden unaufgefordert auch mit Informationen zu Begriffen wie bisexual, masochism und Kafkaesque versorgt habe, bis dieser sich zwei Stunden später durch eine Flucht aus dem Fenster vor einem Diagramm zur Veranschaulichung des Zusammenhangs zwischen dem Namen Philip und dem Begriff hyppopotamus in Sicherheit gebracht habe. Daraufhin hätten Familie und Freunde ihm, Mark Forsyth, nahegelegt, sein zwanghaftes Verhalten in Ermangelung anderer leistbarer Alternativen durch das Schreiben eines Buches zu kanalisieren. Er solle mit einem einzelnen Wort beginnen und dann noch eines dranhängen und noch eines und so weiter bis zur vollkommenen Erschöpfung. Ein solches Buch habe den Vorteil, dass man es öffnen und vor allem auch wieder schließen könne. Weiterlesen »