Literaturnobelpreis 2017

Heute findet die Verleihung des diesjährige Nobelpreises für Literatur  statt,  und während Bob Dylan, der Preisträger von 2016, zunächst nicht einmal zu einer Stellungnahme bereit war, dann seine Kollegin Patti Smith zur  Zeremonie schickte und sich den Preis schließlich erst im heurigen Frühjahr persönlich abholte (offensichtlich hat da jemand Nonkonformismus mit schlechtem Benehmen verwechselt), wird sich Kazuo Ishiguro, der diesjährige Preisträger, die Mühe machen, den Preis selbst im Konzerthaus von Stockholm entgegenzunehmen. Hier der Link zu Ishiguros Nobel Lecture vom 7. Dezember 2017: My Twentieth Century Evening – and Other Small Breakthroughs.

Ishiguros bekanntestes Werk ist der 1989  mit dem Man Booker Preis ausgezeichnete Roman Was vom Tag übrig blieb. Darin macht sich Stevens, Butler in einem der größten und vornehmsten Häuser Englands, 1956 auf eine mehrtätige Reise nach Cornwall, um Miss Kenton, die ehemalige Haushälterin, zu bitten, auf Darlington Hall zurückzukehren. Die Taschenbuchausgabe der deutschen Übersetzung verspricht Die bittersüße Liebesgeschichte zweier Bediensteter in einem englischen Herrenhaus, und der Roman erfüllt dieses Versprechen. Während Stevens im eleganten Ford seines neuen amerikanischen Dienstgebers durch die englische Landschaft fährt, erinnert er sich an mehrere Episoden aus der gemeinsamen Arbeit mit Miss Kenton, von der ersten Begegnung bis zu ihrem Abschied. Die Schilderungen lassen keinen Zweifel daran, dass die junge Frau bis über beide Ohren in ihren Kollegen verliebt war und innerhalb des strengen Verhaltenskodex ihres Berufsstandes nichts unversucht gelassen hatte, ihn aus der Reserve zu locken. Stevens‘ Schilderungen geben aber auch Aufschluss darüber, wieso Miss Kentons Bemühungen chancenlos bleiben mussten. Ishiguro  gelingt das Kunststück, seinen Protagonisten alles Entscheidende erzählen zu lassen, und gleichzeitig klar zu machen, dass dieser nichts verstanden hat, und das hat die Geschichte für mich so berührend gemacht: Ich habe nachvollziehen können, welche inneren Zwänge Stevens dazu bewegen, sich wie ein Scheusal zu benehmen. Weiterlesen »