Travelling Vietnam – #Hanoi

Hanoimonkthumb__MG_3699_1024Seit zwei Wochen bin ich nun wieder zurück aus Vietnam, die Koffer sind ausgepackt, die Mitbringsel sind verteilt, der Jetlag ist überstanden. Und während die vietnamesische Hauptstadt sich auf das Treffen zweier Männern vorbereitet, die noch vor wenigen Monaten über die Größe ihres Atomknopfs gestritten haben, jetzt aber scheinbar neue beste Freunde sind, sitze ich hier und versuche, aus den unzähligen Aufnahmen, die ich während meiner Reise  gemacht habe, diejenigen auszuwählen, die ich für diesen Beitrag verwenden möchte. Das dauert.

Ich hatte hohe Erwartungen an diese Reise, und sie wurden alle erfüllt. Mit meiner in Saigon geborenen, aber in New York lebenden Freundin und fünf anderen Amerikanerinnen habe ich ein Land erleben dürfen, das sich für Tết, das Neujahrsfest, ganz besonders herausgeputzt, von seiner besten Seite gezeigt hat: freundliche Menschen, traumhafte Landschaften, köstliches Street Food,  komfortable Unterkünfte (für mich nicht ganz unwichtig), angenehme Temperaturen (noch wichtiger, da ich nicht tropentauglich bin), mehr Fotomotive als Speicherplatz (siehe oben).

Dem Namen nach ist die Sozialistische Republik Vietnam immer noch kommunistisch, Parteiflaggen und das Andenken an „Onkel Ho“, den Staatsgründer Ho Chi Min, sind allgegenwärtig,  aber ich habe eine aufstrebende Marktwirtschaft erlebt, in der zwar noch viele in großer Bescheidenheit leben, echtes Elend aber entweder fast nicht existiert oder sorgsam versteckt ist. Unsere Reise führte uns von der Hauptstadt Hà Nội zunächst nach Zentralvietnam, in die alte Kaiserstadt Huế, dann weiter in die etwas südlich von Đà Nẵng gelegene Küstenstadt Hội An und anschließend wieder zurück in den Norden, in die Vịnh Hạ Long (Halong-Bucht) im Golf von Tonkin und von dort nochmals über die Hauptstadt weiter ins Gebirge, wo wir in der Mù Cang Chải Eco-Lodge weniger als 150 km von der chinesischen Grenze entfernt den für mich schönsten Teil der Reise verbrachten. In den nächsten Tagen und Wochen werde ich Euch immer wieder von dieser Reise berichten, die einem Land, von dem ich bis vor kurzem nur wenig wusste und für das ich mich auch ehrlich gesagt nur mäßig interessiert hatte, für immer einen Platz unter den Top Five meiner liebsten Reiseziele gesichert hat

Hà Nội

Einen kurzen Gruß mit ersten Eindrücken aus der Stadt am Roten Fluss habe ich Euch ja schon ganz zu Beginn meiner Reise geschickt. Ingesamt dreimal haben wir auf unserer Reise in der Hauptstadt Zwischenstop gemacht, und jedesmal hatte ich etwas Zeit, um wieder einige neue Winkel und Facetten einer Stadt kennenzulernen, die mich von der ersten Sekunde an fasziniert hat. Um sich hier wohl zu fühlen, muss man dem Gewusel einer Großstadt etwas abgewinnen können und einen etwas heruntergekommenen Kolonialstil cool finden.

 

Beides trifft auf mich zu, und da ich in der Lage bin, mich todesmutig einem nicht abreißenden Verkehrsstrom entgegenzustellen, für den Ampelsignale nur Dekorationselemente in einer ohnehin bunten Umgebung sind, hat es großen Spaß gemacht, quer durch die Stadt zu laufen, um die verschiedensten Eindrücke auf mich wirken zu lassen und an jeder Ecke andere Köstlichkeiten zu probieren. Neben kleinen und noch kleineren Restaurants, die den ganzen Tag über oft nur eine einzige Spezialität anbieten, gibt es auch Garküchen, die am Abend, wenn die Rollbalken der Geschäfte nach unten gegangen sind, auf dem Gehsteig davor ihren Betrieb aufnehmen. Auf kleinen Tischen und Plastikstühlen, nur wenige Zentimeter über dem Boden, habe ich so zahlreiche kulinarische Genüsse erlebt, für die mir ohne kundige Führung vermutlich der Mut gefehlt hätte, und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten auch das eine oder andere Bier probiert.

 

Hanoithumb__MG_3531_1024Noch vor wenigen Jahren war das Stadtbild vor allem von Fahrrädern geprägt, erzählte meine Freundin, heute sieht man diese nur mehr sehr vereinzelt. Statt dessen düst ganz Hanoi auf Mopeds durch die Gegend. Drei Passagiere sind der Normalfall, vier keine Seltenheit, auch auch fünfköpfige Familien finden, wenn es notwendig ist, Platz. Daneben fungieren die Flitzer als Lastfahrzeuge.

Während am Stadtrand moderne Wohnbauten in die Höhe schießen und sich die Zufahrtsstraßen und Hauptverkehrsrouten nicht wesentlich von denen in westlichen Großstädten unterscheiden, haben die Gebäude im Stadtzentrum auf mich so gewirkt, als hätten sie sich seit den 1950er-Jahren nicht mehr verändert. Das ist sicher eine Illusion, trotzdem konnte ich mich an den Fassaden nicht sattsehen.

Besonders gut gefallen hat mir die Abfolge von alten und neuen Häuschen am Trúc Bạch-See, an dessen Uferpromenade nicht nur die Touristen, sondern auch die Einheimischen eine Verschnaufpause einlegen.

 

Am Trúc Bạch-See gibt es auch ein Denkmal für den vor kurzem verstorbenen US-Senator John McCain. 1967 war der Kampfpilot nach dem Abschuss seiner Maschine aus dem See gefischt und fünfeinhalb Jahre lang als Kriegsgefangener festgehalten worden, 1985 kehrte er nach Vietnam zurück und wurde zu einem der ersten Befürworter einer Aussöhnung zwischen den beiden Ländern. Dafür, dass diese über weite Strecken gelungen ist, spricht nicht nur die Errichtung der Gedenkstätte, sondern auch die Freundlichkeit, mit der die Vietnamesen den zahlreichen amerikanischen Touristen begegnen. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass die Gräuel des „Amerikanischen Krieges“, wie der Krieg in Vietnam heißt, vollkommen vergessen sind, Ressentiments habe ich als Mitglied einer amerikanischen Reisegruppe aber keine gespürt. Mit unaufdringlicher Freundlichkeit und höflicher Gelassenheit, gepaart mit einer sympathischen Geschäftstüchtigkeit, begegnen die Vietnames*innen den manchmal nicht ganz bescheidenen Wünschen der Gäste aus dem Westen und stellen sich auch bereitwillig als Fotomotive zur Verfügung.

 

Nicht nur die Stadt an sich ist sehenswert, es gibt auch einige Kulturdenkmäler, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Dazu gehören vor allem der Literaturtempel, die Zitadelle von Thăng Long und die Trấn Quốc Pagode. Alle drei haben wir natürlich besucht. Davon in einem meiner nächsten Beiträge.

Greetings from Hanoi

Viele meiner Bloggerkolleg*innen lesen nicht nur gefühlt 2-3mal so viele Bücher wie ich, sie schaffen es auch, ganz regelmäßig und mit hoher Frequenz Beiträge zu posten. Da nicht davon auszugehen ist, dass sie nie krank werden, nie berufliche Spitzenzeiten erleben und nie verreisen, vermute ich mal, dass sie für all diese Fälle Beiträge im voraus geplant und erstellt haben. Ich schaffe das leider nicht: Wenn es gerade besonders viele Kurse vorzubereiten oder abzuschließen gilt oder wenn eine Reise bevorsteht, habe ich besonders wenig Zeit zum Lesen und Bloggen, und wenn so wie diesen Monat beides zusammenfällt, bleibt gar keine Zeit für mein liebstes Hobby. So ist es gekommen, dass ich diesen Beitrag nicht wie geplant noch vor meiner Abreise nach Vietnam, sondern eben erst jetzt, am ersten Abend nach meiner Ankunft in Hanoi schreibe.

Das Thema ist natürlich Vietnam, genauer gesagt die Literatur, die ich als Vorbereitung auf diese Reise gelesen habe – oder zumindest lesen wollte (siehe oben). Zwei Titel habe ich rechtzeitig geschafft: über Graham Greenes The Quiet American (Der stille Amerikaner) und Lan Cans Monkey Bridge war hier vor kurzem zu lesen. Der Sympathisant von Viet Thanh Nguyen  muss bis nach meiner Rückkehr warten, aber zwei andere Titel sind meine Reisebegleiter geworden: Da ist zunächst einmal Hell in a Very Small Place: The Siege of Dien Bien Puh, als Audiobook gelesen von Robertson Dean. Der amerikanische Journalist und Politologe Bernard B. Fall analysiert darin die politischen und strategischen Aspekte der Schlacht bei Dien Bien Phu nahe der Grenze zwischen dem damaligen Nordvietnam und Thailand, die, als strategischer Schachzug im Kampf gegen die Vietkong-Armee gedacht, 1954 die Niederlage der Franzosen im Indochinakrieg besiegelte. Ausgehend von minutiöser Recherche gelingt es dem Autor, auf spannende Art zu erklären, wie es zu dieser Niederlage gekommen ist und was die Hauptakteure zum Ausgang der Schlacht beigetragen haben. Eine echte Empfehlung für alle, die sich so wie ich bisher nie mit dem Thema militärische Strategie beschäftigt haben, es diesmal aber doch tun wollen und vor realitätsnahen Beschreibungen von Kriegshandlungen nicht zurückschrecken. Das Leben des Autors war übrigens von ähnlichen Gräueltaten geprägt wie sein Bericht sie zum Thema hat: 1926 in Wien geboren musste er vor den Nazis nach Frankreich flüchten, schloss sich schon mit 16 der Resistance an, studierte nach dem Zweiten Weltkrieg in Frankreich, Deutschland und den USA und war ab 1953 als Kriegsberichterstatter in Südostasien tätig. Er stand dem Engagement der USA in der Region kritisch gegenüber und starb 1967 beim Besuch einer Einheit der US-amerikanischen Truppen in Südvietnam durch eine Landmine.

Bernard B. Fall, Hell in a Very Small Place – The Siege of Dien Bien Phu. Gelesen von Robertson Dean. Tantor Media Inc. 2016, 19 h 30 min.

Mehr als 50 Jahre später ist Vietnam ein friedliches Land, dem man die Spuren des Krieges zumindest auf den ersten Blick nicht mehr ansieht.

 

Nachdem wir den heutigen Tag auf einem ausgiebigen Spaziergang durch Hanoi  erste Eindrücke gesammelt haben, geht es morgen mit dem Flugzeug in die alte Kaiserstadt Hue in Zentralvietnam weiter. Auf dem Flug werde ich hoffentlich auch The Gangster We Are All Looking for von Le Thi Diem Thúy fertig lesen und in den nächsten Tagen davon berichten können.

Bis dahin liebe Grüße

Eure Niamh

Venice by the book

Version 2Wenn ich eine Reise plane, tauchen immer sofort zwei Fragen auf: ‚Welche Schriftsteller*innen?‘ und ‚Welche Buchhandlungen?‘ Bei meinen Planungen für ein Wochenende mit meiner Familie in Venedig war das nicht anders. Die Frage nach den Buchhandlungen hat Andrea auf Lesen…in vollen Zügen umfassend beantwortet, ich hatte also nichts anderes zu tun, als ihren Empfehlungen zu folgen. Daher besuchte ich bei der ersten Gelegenheit die Libreria Studium, nur wenige Schritte von der Piazza San Marco entfernt. Hier finden Touristen eine reichliche Auswahl an Büchern zum Stichwort Venedig auch in ihrer Muttersprache, allerdings zu deutlich höheren Preisen, als sie beispielsweise in Wien für englischsprachige Bücher verlangt werden. Daher habe ich der Versuchung widerstanden, Peter Ackroyds Venice – The Biography, mitzunehmen, das ich schon seit vielen Jahren lesen möchte, und auch Thomas Manns Tod in Venedig in der wunderschönen Ausgabe des S. Fischer Verlags werde ich mir doch lieber in Wien besorgen. Trotzdem ist die Buchhandlung einen Besuch wert: Hinter der eher unscheinbaren Fassade verbirgt sich auf edlen Holzregalen eine riesige Auswahl, die mich wieder einmal daran erinnert hat, wie schade es ist, dass meine Italienischkenntnisse nie über Niveau A2 hinausgekommen sind.

 

Am nächsten Tag schaute ich in der Libreria Toletta im Stadtteil Dorsoduro vorbei. In der laut Homepage ältesten und größten Buchhandlung Venedigs (gegründet 1933), geht es deutlich weniger touristisch zu, und entsprechend ist auch die Fremdsprachenabteilung viel kleiner. Trotzdem wurde ich hier fündig: The Spy of Venice – A William Shakespeare Novel von Benet Brandreth wartet jetzt auf meinem SuB. Ich habe mich auch für den in englischer Sprache erscheinenden Newsletter der Buchhandlung angemeldet, der ’nützliche Informationen über das authentische Venedig‘ verspricht.

Nach diesen beiden Erfahrungen, die vollkommen in Einklang mit Andreas Schilderungen standen, beschloss ich, ihrem Urteil auch bei Nr. 3 auf ihrer Liste zu vertrauen und die berühmte Buchhandlung Acqua Alta auszulassen: Touristenmassen gibt es auch an anderen Orten der Stadt genug, und das flüssige acqua alta war, wie hier nachzulesen, während meines Aufenthalts am letzten Oktoberwochenende ohnehin allgegenwärtig.

9783442744770_CoverBleibt die Frage: Welche Schriftsteller*innen? Wie schon erwähnt, führt an Peter Ackroyds 2012 auf Deutsch erschienener Venedig-Biographie wohl kein Weg vorbei, wenn man möglichst viel über die Geschichte der Lagunenstadt erfahren möchte. Der vielfach ausgezeichnete britische Autor, der auch schon Biographien über Shakespeare, London und die Themse veröffentlicht hat, wird zwar manchmal wegen historischer Ungenauigkeiten kritisiert, versteht es aber hervorragend, eine Flut von Detailinformationen leicht verdaulich zu präsentieren.

Version 2
Ponte dei sospiri, die Verbindung zwischen Palazzo Ducale und dem Gefängnis

Für die Suchanfrage ‚Schriftsteller – Venedig‘ liefert Wikipedia eine Liste mit 19 Namen, aber nur zwei davon sind mir ein Begriff: Giacomo Casanova wurde 1725 in Venedig geboren, studierte in Padua Zivil- und Kirchenrecht und wurde zunächst Priester. Für diesen Beruf dürfte er aber eher ungeeignet gewesen sein, denn 1755 wurde er wegen „Schmähungen gegen die heilige Religion“ verhaftet und verbrachte 15 Monate als Gefangener in den Bleikammern, bevor ihm im zweiten Anlauf die Flucht gelang. Er war hochgebildet und weit gereist, und die Liste seiner Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten liest sich wie ein Who is Who des 18. Jahrhunderts: Papst Benedikt XIV, Katharina die Große, Friedrich der Große, Voltaire, W.A. Mozart. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu den verschiedensten Themen, aber seine Bekanntheit verdankt er vermutlich seinen posthum erschienen Memoiren, Histoire de ma vie, deren deutsche Übersetzung kostenlos über das Projekt Gutenberg.de verfügbar ist. Auch wenn diese Erinnerungen große kulturhistorische Bedeutung haben, ich bezweifle, dass dies der Grund dafür ist, dass sie in über 20 Sprachen übersetzt wurden und auch heute noch zahlreiche Leser*innen finden.

Venezianisches FinaleDer zweite mir geläufige Name auf der Liste ist Donna Leon. Gleich vorweg: Ich bin kein großer Fan der Krimis um Commissario Guido Brunetti. Ich finde sie nicht besonders spannend und bin auch nicht sicher, ob sie ein wirklich authentisches Bild des heutigen Venedig liefern. Aber ich habe die 1942 in New Jersey geborene Literaturwissenschafterin einmal bei einer Podiumsdiskussion und einige Jahre später als Gast auf der Buch Wien erlebt und war beide Male sehr von ihr beeindruckt. Im Auftreten freundlich, höflich und zurückhaltend ist sie ganz offensichtlich eine Frau, die weiß, was sie will, und vor allem, was sie nicht will. Mit ihren bisher 27 Krimis hat sie ganz sicher Millionen verdient. Aber Geld interessiere sie nicht besonders, sagte sie bei einem der Auftritte, wichtig sei ihr nur, dass sie sich die Karten für Opernaufführungen leisten könne – im ersten, 1992 erschienenen Brunetti-Roman Death at La Fenice (Venezianisches Finale)  geht es um einen mysteriösen Todesfall in der Oper von Venedig – um alles andere kümmerten sich ihre Berater. Die Brunetti-Romane sind in den Buchhandlungen in Venedig allgegenwärtig – allerdings nur in englischer, deutscher und französischer Version. Einer Übersetzung ins Italienische hat die Autorin nie zugestimmt, mit der Begründung, sie wolle in Venedig in Anonymität leben können. Ich glaube allerdings auch, sie wollte sich keiner allzu kritischen Beurteilung ihrer Schilderung des Alltags in Venedig aussetzen. Mit den zunehmenden Touristenströmen war es mit der Anonymität, vor allem aber mit der Ruhe, in Venedig aber trotzdem vorbei, und daher lebt Donna Leon heute nicht mehr in der Lagunenstadt, sondern in der Schweiz.

Für einen Besuch in der Bibliotheca Nazionale Marciano vis-à-vis vom Dogenpalast blieb während meines Aufenthalts leider keine Zeit, die habe ich mir fürs nächste Mal aufgehoben. Bis dahin habe ich hoffentlich auch mein Italienisch ein bisschen verbessert und einige der hier genannten Bücher gelesen. Oder gibt es noch andere Bücher über Venedig, die ihr mir empfehlen würdet?

Version 2
Bibliotheca Nazionale Marciana

Stichwort #Irland (IV)

#Buchhandlungen

Wenn mein Mann von unseren Familienurlauben berichtet, kommen irgendwann unweigerlich launige Geschichten darüber, wie er die Zeit, in der ich nur noch schnell einen Blick in eine Buchhandlung werfen wollte, damit verbracht hat, in der Zeitschriftenabteilung alles Verfügbare über das Angeln zu lesen, in der Cafeteria alle Kuchen durchzuprobieren oder sich vor der Tür mit dem Sicherheitspersonal anzufreunden. Diesmal war ich alleine unterwegs, ich musste also auf niemanden Rücksicht nehmen, konnte von einer Buchhandlung in die nächste pilgern und dort stundenlang Regale durchforsten und Klappentexte lesen. Das Ergebnis waren 11 kg Bücher, die per Post ihren Weg nach Wien fanden, und ein ziemlich guter Überblick über die Buchläden in Galway und Dublin. Einige davon möchte ich Euch hier vorstellen.Weiterlesen »

Stichwort #Irland (III)

#Bibliotheken

staircase

#TheOldLibrary

Wenn ich verreise, versuche ich, die Trampelpfade der Touristenströme zu vermeiden, aber das ist meist leichter gesagt als getan, denn dort, wo es Interessantes zu sehen gibt, sind naturgemäß auch viele, die es sehen möchten. Ein Trick, der für mich immer funktioniert hat, ist der, die Tourismus-Hotspots so zeitig wie möglich am Tag zu besuchen, wenn alle anderen noch beim Frühstück sitzen. Daher wartete ich schon um 8 Uhr 30 und nur sehr kurz vor dem Eingang der Old Library des Trinity College Dublin, um dort zuerst das #BookofKells und dann den #LongRoom zu bewundern. Die Tatsache, dass ich direkt am Campus wohnte, hat zwar die Anreise auf 3 Minuten verkürzt, aber leider gibt es auch für Summer Residents keine Privilegien, was den Zutritt zu den Bibliotheken betrifft – eine Exklusiv-Besichtigung war daher nur von außen möglich.

Old Library morning
The Old Library, Trinity College Dublin, 06:15 AM

Die Homepage von TCD nennt das Book of Kells Irlands größten Kunstschatz, und das ist nicht übertrieben. Die illustrierte Bibelhandschrift wurde vermutlich um das Jahr 800 von irischen Mönchen auf der Insel Iona nahe Schottland geschaffen und, nachdem deren Kloster von Vikingern angegriffen worden war, ins Kloster von Kells, County Meath, in Sicherheit gebracht. Details über den geschichtlichen Hintergrund dazu gibt es in meinem Beitrag über Thomas Cahills How the Irish Saved Civilization. In Kells war die Handschrift in Sicherheit, bis Oliver Cromwell, der in Irland bis heute – nicht ganz zu Unrecht – als Reinkarnation des Teufels gilt, das Kloster 1646 einer neuen Nutzung als Pferdestall zuführte. Henry Jones, Vice-Chancellor des 1592 von Elizabeth I. gegründeten Trinity College, ließ die Handschrift daraufhin in die Bibliothek seiner Universität bringen, wo sie heute gemeinsam mit dem noch 100 Jahre älteren Book of Durrow und dem ebenfalls aus dem frühen 9. Jahrhundert stammenden Book of Armagh  gekonnt in Szene gesetzt wird.

Die Old Library hütet noch zwei weitere Schätze, die Irlands Identität und Nationalstolz symbolisieren: Da ist zunächst die #BrianBoruHarp, zwar mit Sicherheit nicht die Harfe des Begründers der O’Brien-Dynastie, aber dennoch das älteste erhaltene Instrument seiner Art. Ein Abbild dieses offiziellen Nationalsymbols findet man nicht nur auf allen irischen Euromünzen, sondern auch auf jeder Flasche Guiness. Im Schaukasten gleich dahinter ist ein wesentlich jüngeres Exponat zu sehen, das den Ir*innen aber ebenso wichtig ist: Eine der wenigen erhaltenen Kopien der #Proclamation of the Irish Republic aus dem Jahr 1916. Das Poster klebte ursprünglich an der Wand des General Post Office, wo der Osteraufstand seinen Ausgang nahm, der in letzter Konsequenz 1922 zur Unabhängigkeit von Großbritannien führte.

Die beiden Schaukästen befinden sich im Long Room der Old Library. So schön die diversen mit Fresken geschmückten und mit Schnörkel verzierten Prunksäle anderer Bibliotheken auch sein mögen, an die Ästhetik dieses 65 m langen Raums kommt für mich keine heran. Sieht man von den weißen Marmorbüsten berühmter Schriftsteller, Philosophen und Staatsmänner ab, sind der einzige Schmuck die Regale für die mehr als 200.000 Bände, die in zwei Etagen unter einem Tonnengewölbe aus Holz Platz finden. Dieses Tonnengewölbe wurde 1858 nachträglich auf den 1732 fertiggestellten Bau aufgesetzt, um mehr Platz für Bücher zu schaffen.

 

Ich hätte am liebsten den ganzen Tag den Saal auf mich wirken lassen und den Geruch der alten Bücher eingeatmet, aber irgendwann waren auch alle anderen mit dem Frühstück fertig und das Gedränge zu groß.
Zum Glück gibt es in Dublin aber auch Bibliotheken, in denen sich der Andrang an Touristen in Grenzen hält.Weiterlesen »