Stichwort #Irland (II)

Seit mehr als drei Wochen bin ich nun aus Irland zurück, höchste Zeit also für die versprochene Fortsetzung meines Reiseberichts.

#Theatre

Ich hatte das Glück, dass in Dublin diesen Sommer zwei Produktionen zu sehen sind, die jeweils einen ganz großen Namen der irischen Literatur vor den Vorhang holen. Dass die beiden renommiertesten Theater Dublins auch im Juli bespielt werden, war dabei die eine gute Nachricht, dass sich die Ticketpreise mit ca. 30 – 45 Euro in Grenzen halten die andere.

#TheGateTheatre #RoddyDoyle #TheSnapper

Gate theatre

Im Gate Theatre nördlich der O’Connell Street  läuft seit Mitte Juni  The Snapperdie erstmals gezeigte Bühnenversion von Roddy Doyles gleichnamigem Roman aus dem Jahr 1990. The Snapper bildet gemeinsam mit Doyles erstem Roman The Commitments (1987) und The Van (1991) die Barrytown Trilogy, die drei Episoden aus dem Leben der Dubliner Arbeiterfamilie Rabbitte schildert. Alle drei Romane waren auch in der Filmversion höchst erfolgreich, und The Van (dt. Fish & Chips) schaffte es auf die Shortlist des Man Booker Prize, den Roddy Doyle 1993 für Paddy Clarke Ha Ha Ha auch gewann. Dieser vierte Roman spielt ebenfalls in Barrytown, North Dublin, und mit The Guts (dt. Punk is Dad) kehrte Roddy Doyle 2013 noch einmal zur Familie Rabbitte zurück.

covers doyle

Snapper ist ein in Irland gebräuchlicher Ausdruck für ein kleines Kind, und so heißt der Roman in deutscher Übersetzung auch Sharons Baby. Sharon ist die älteste Tochter von Veronica und Jimmy Rabitte sen. und gerade einmal 20, als sie ihren Eltern mitteilt, dass sie schwanger ist. Diese sind zwar einigermaßen geschockt, lassen aber keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie ihre Tochter unterstützen werden. Jimmy hat allerdings so seine Probleme mit dem Gedanken an den Typen, der seine Tochter geschwängert hat, vor allem, weil Sharon sich weigert, mit dem Namen dieses Mannes herauszurücken.

Das Theater war bis auf den letzten Platz ausverkauft, und die anderen Zuschauer  amüsierten sich ebenso wie ich über das Porträt einer Familie, die zwar weder viel von pädagogisch wertvollen Erziehungsmaßnahmen noch von gesunder Ernährung hält, aber füreinander da ist, wenn es darauf ankommt. Auch wenn das Thema ungewollte Schwangerschaft auf sehr humorvolle Art behandelt wird, die Geschichte ist weit von Klamauk entfernt. Statt dessen liefert sie das Porträt der Liebe eines Vaters zu seiner Tochter.

Schon allein die Tatsache, dass das Stück dort aufgeführt wird, wo es spielt, in Dublins Northside, in unmittelbarer Nachbarschaft zum Rotunda Hospital, wo Sharon schließlich ihr Baby zur Welt bringen wird, verleiht dem Theaterstück Atmosphäre und Authentizität, und ein Blick auf die Zuschauer um mich herum  hat sein Übriges getan. Verzaubert und sprachlos gemacht hat mich die Inszenierung ganz besonders aus drei Gründen:

  • Regisseurin Róisín McBrinn ist es gelungen, die 80er-Jahre nicht nur durch Kostüme und Musik, sondern durch die Art der Inszenierung selbst wiederauferstehen zu lassen. Genau so hätte man das Stück vielleicht auch schon vor 30 Jahren auf die Bühne gebracht. 
  • Als Teil der Handlung läuft der Familie ein Hund zu. Dieser Hund ist dank der pantomimischen Begabung der Darsteller, insbesondere von Hilda Fay als Veronica, dauernd auf der Bühne, ohne dass man ihn jemals zu Gesicht bekommt. 
  • In der letzten Szene bringt Sharon ihr Baby zu Welt, und dieser Snapper war in der Vorstellung, die ich besucht habe, keine Puppe, sondern tatsächlich ein wenige Tage oder Wochen altes Neugeborenes.

Fotografieren im Theater war nicht erlaubt, daher für alle, die zumindest einen kleinen Eindruck vom Stück bekommen wollen, hier die Links zu drei Promotionsvideos: The Snapper at the Gate; The Snapper: Meet the Kids; The Snapper: Meet the Rabattes.

#TheAbbeyTheatre  #Ulysses

abbey theatre2

In meinem Beitrag über den Bloomsday habe ich ja schon erwähnt, dass ich Ulysses von James Joyce noch nicht gelesen habe. Dieser Umstand hat mich zur perfekten Besucherin für eine Produktion des irischen Nationaltheaters The Abbey Theatre gemacht. Das ideale Publikum der Bühnenversion ‚eines der größten und wahrsten Romane aller Zeiten‘ seien Menschen, die das Buch immer lesen wollten, sich aber abschrecken ließen, zitiert die Ankündigung den Schriftsteller Dermot Bolger, der für die Adaptierung verantwortlich ist. Auf einer von allen Seiten einsehbaren Bühne treten Leopold und Molly Bloom, Stephen und Simon Daedalus und andere in einzelnen Szenen auf.

Eine zweistündige Theateraufführung kann  einen 800 Seiten-Roman nicht ersetzen, und diesen Anspruch erheben die Macher auch nicht. Trotzdem hatte ich nach Ende der Vorstellung das Gefühl, nicht nur ein unterhaltsames Stück gesehen, sondern auch eine Idee von James Joyce’s Roman bekommen zu haben. Auch echte Fans müssen zugeben, dass dieser mehr als nur die eine oder andere Länge aufweist, das kann man Graham McLarens Inszenierung nicht vorwerfen. Sie hat mich ein bisschen an eine Cabaret-Revue erinnert, wie eine lose Abfolge von Darbietungen, die von einer Rahmenhandlung zusammengehalten werden. Ein Teil des Publikums sitzt an kleinen Tischen direkt auf der Bühne, es gibt Musikuntermalung, Gesangs- und Tanzeinlagen und fast lebensgroße Puppen. Auch hier durfte ich keine Fotos machen, aber der Trailer  fängt die Atmosphäre ein. 

#JamesJoyce

James JoyceFür Dublin ist James Joyce das, was Mozart für Salzburg oder Shakespeare für Stratford-on-Avon ist. Man begegnet ihm nicht nur auf der Bühne und in Buchhandlungen, sondern an zahlreichen anderen Orten. Zunächst einmal ist da die Statue des Dichters  in der Earl Street, nur wenige Schritte vom General Post Office entfernt. Etwas anzüglich wird sie von manchen The Prick with the Stick genannt.

Wenn man von der Statue aus nach rechts in die O’Connell Street einbiegt, erreicht man nach zirka 10 Minuten das James Joyce Centre in der North Great George’s Street. Dieses liefert nicht nur Informationen zum Autor und seinen Werken, sondern zeigt auch Kuriositäten wie die Tür von No. 7 Eccles Street, der Wohnadresse von Leo Bloom im Roman Ulysses.

 

Eine weitere Pilgerstätten für James Joyce-Fans ist der James Joyce Tower. Dabei handelt es sich um einen von insgesamt 164 Martello-Türmen, die vor allem während der Napoleonischen Kriege im gesamten British Empire, von Irland bis Mauritius und Australien, errichtet wurden. Joyce verbrachte im September 1904 sechs Nächte in diesem Turm und lässt Ulysses hier beginnen. Auf Betreiben des Dubliner Künstlers John Ryan, der auch die bereits erwähnte Eingangstür zu No. 7 Eccles Street rettete, wurde der Turm 1962 in ein Museum umgewandelt und zeigt neben Erinnerungsstücken an den Schriftsteller auch den Wohnraum so, wie James Joyce ihn vorgefunden hat. Das Museum ist das ganze Jahr über geöffnet und mit dem Vorortezug DART vom Stadtzentrum aus innerhalb von weniger als einer Stunde zu erreichen. Dabei ist der Fußweg von der Station Sandycove & Glasthule in südlicher Richtung die Uferpromenade entlang schon eingerechnet.

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James Joyce Tower Dun Laoghaire
Blick vom James Joyce Tower auf die Hafenstadt Dún Laoghaire

Auch die National Library of Ireland im Stadtzentrum stellt Joyce und seine Werke in den Mittelpunkt. In Teil (III) meines Berichts werde ich Euch diese und andere #Bibliotheken und #Buchhandlungen vorstellen, die ich auf meiner Reise besucht habe.

Lächeln

Vorbemerkung: Die nachstehende Besprechung enthält Anmerkungen dazu, wie die Geschichte ausgeht. Ich habe mich zwar bemüht, echte Spoiler zu vermeiden, aber wer ganz sicher gehen möchte, sollte vielleicht besser nicht auf Weiterlesen klicken. In jedem Fall freue ich mich schon auf eure Meinung und eure Interpretation!

Vor einigen Monaten entdeckte ich im Internetshop der irischen Buchhandelskette Dubray Books ein Angebot, an dem ich nicht vorbeigehen konnte, obwohl mein SUB eigentlich schon hoch genug war: Ein signiertes Exemplar von Roddy Doyles neuestem, bisher nur auf Englisch erschienenen Roman Smile. Jetzt war das Buch endlich an der Reihe, und das Lesen hat doppelt so lange gedauert wie erwartet. Die schlichte Sprache würde Smile eigentlich in die Kategorie der Easy Reads einordnen, wäre da nicht der Ausgang der Geschichte, der mich vollkommen verblüfft dazu veranlasst hat, sofort nach der letzten Seite wieder von vorne zu beginnen, nur um ganz sicher zu sein, dass ich da nicht etwas falsch verstanden habe. Victor Forde, 54,  hat gerade eine Trennung hinter sich. Seine wunderschöne, kluge, unkonventionelle und erfolgreiche Ex-Frau Rachel hatte ein Cateringunternehmen aufgebaut, mit dem sie zum Medienstar geworden war. Seine eigene Karriere als Journalist und Schriftsteller war nicht so recht vom Fleck gekommen, und auch sein seit langem geplantes Buch darüber, was in Irland alles falsch läuft, hat er bisher nicht schreiben können.

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